In den letzten Monaten sahen sich, bedingt durch die Corona-Pandemie, die Ölpreise extremen Kurs-Schwankungen ausgesetzt. Doch der Wandel in der Branche hat bereits viel eher eingesetzt und der Ausnahmezustand durch das COVID-19-Virus hat diesen nur beschleunigt.
Neue Erschliessungen lohnen sich finanziell nicht
BP, Total, Shell; die grossen europäischen Ölkonzerne sehen im „schwarzen Gold“ keine Zukunft mehr. Eigentlich wollte Total im kanadischen Bundesstaat Alberta Ölsand fördern, bietet Kanada doch nach Venezuela die zweitgrössten Ölvorkommen der Welt – stattdessen schrieb das Unternehmen Ende Juli fast sieben Milliarden Euro ab. Der Vorstand erklärte nicht nur, dass das Vorhaben zu teuer sei, sondern, dass gleichwohl nur noch bereits bestehende Ölfelder betrieben, aber keine neuen ausbauen würden.
Auch BP kündigte am 4. August diesen Jahres an, dass man keine neuen Ölfelder erschliessen wolle. 170 Millionen Euro, die in ein solches Projekt vor den Falkland-Inseln fliessen sollten, habe man abgeschrieben. Und das, obwohl Öl im Wert von etwa 64 Milliarden Euro hätte gefördert werden können.
Niedriger Ölpreis wird sich etablieren
Es mag im ersten Moment zwar verwunderlich klingen, doch die Erklärungen offenbaren, dass das Geschäft mit Öl zunehmend weniger lukrativ wird. Ein Barrel Brent-Öl wurde in Europa mit Preisen zwischen 50 und 60 Euro gehandelt, in diesen Rahmen kalkulieren ebenso die grossen drei Konzerne. Aktuell stagnieren die Preise und stehen seit der Corona-Pandemie bei etwa 35 bis 40 Euro. Die Förderung lohnt sich, je nach Standort, allerdings erst ab 45 Euro. Total hat in einem offiziellen Statement bekannt gegeben, dass man von ihrer Seite auch nicht mit einer Gesundung des Preises rechne, sondern eher damit, dass sich der Preis pro Barrel bis 2030 bei etwa 42 Euro einpendeln wird.
Anleger sollten auf nachhaltige Investitionen setzen
Das Ende der Ölförderung ist damit nicht gekommen, jedoch setzt Europa verstärkt auf erneuerbare Energien. Hinzu kommt, dass viele der europäischen Ölfirmen sich dem Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet haben. Bis 2050 müssen sie es schaffen CO2-neutral zu arbeiten, was wiederum bedeutet, dass das geförderte Öl mit genügend erneuerbaren Energien ausgeglichen werden muss. Wo und ob sich die Förderung lohnt, müssen die Unternehmen standortabhängig abwägen und entscheiden, ob eine Erschliessung finanziell sinnvoll ist. Schon jetzt setzt beispielsweise Total auf einen Aufbau seines Portfolios an Solar- und Windparks, Shell hat sich 2016 in die E-Auto-Branche eingekauft.
Anleger, die ihr Geld langfristig investieren wollen, sollten sich genau überlegen, ob sie dem einst bewährten Rohstoff Öl Vertrauen und Kapital schenken oder stattdessen lieber direkt in nachhaltige Projekte investieren möchten. Stand heute geben BP und Shell nicht einmal zehn Prozent ihrer jährlichen Auslagen für klimafreundliche Projekte aus, bis 2025 möchte Total seinen Anteil auf lediglich zwanzig Prozent steigern. Dieses Vorgehen könnte den Giganten zum Verhängnis werden und Anleger, die ihre Ersparnisse auf die „Öl-Karte“ setzen wollten dazu bewegen auf grüne Investitionen zu vertrauen. Diese erleben nämlich einen immensen Aufschwung und zeigen auch für langfristige Investoren grosses Potenzial.